30.06.2011

Ägypten: Lang lebe die Revolution?

Über die neu entflammten Proteste in Kairo, ihre Hintergründe und ein Schlag von Ereignissen und Absurditäten.

Von Daniel Roters

Menna Gad ist 22 Jahre alt und in Kairo für den DAAD tätig. Am 28. Juni will sie nach Hause gehen. Sie weiß nicht, dass Sie wahrscheinlich Zeugin des Anfangs neuer blutiger Proteste ist. Genau fünf Monate nach den schweren Straßenkämpfen vom Januar geht Sie vom Stadtteil Agouza in Richtung ihres Hauses. Gegen 19 Uhr beobachtet sie am Al-Balloon Theater circa 200 Menschen. Es ist Geschrei zu hören. Die Situation scheint angespannt.

Viele Beobachter sind sich einig: Diese von Menna beobachtete Szene war der Anfang der blutigsten Auseinandersetzungen seit dem Sturz Hosni Mubaraks. In Agouza hatten sich zuvor Familien vieler Todesopfer der Revolution getroffen, um der Toten zu gedenken. Man trauerte auch um das jüngste Opfer: Mahmoud Khaled (24) war am 28. Januar - dem Tag des Zorns - wie viele andere Ägypter auf der Straße, um für ein besseres Ägypten zu demonstrieren. Die Staatsmacht griff ein und hunderte Menschen verloren ihr Leben, tausende wurden verletzt. Sicherheitskräfte schossen dem jungen Mann in den Kopf. Eine Staatskarosse überollte ihn und Polizisten zertrümmerten ihm die Beine, bevor man ihn in Sicherheit bringen konnte. Schließlich lag er mehrere Monate im Koma und starb am 27. Juni an den Folgen der Schussverletzung. Es wurden Stimmen der Angehörigen und Freunde eingefangen, die vor dem Kasr Al-Aini Hospital Mubarak und den den Ex-Innenminister Habib Al-Adly für den Tod des jungen Mannes verantwortlich machen.

Glaubt man vielen übereinstimmenden Berichten, dann wurde der Trauerzug am Abend des 28. Juni von Schlägern angegriffen. Die Polizei soll eingegriffen und ausgerechnet Angehörige des Trauerzuges festgenommen haben. Schnell verbreitete sich der Vorfall, auch über die sozialen Netzwerke Facebook und Twitter. Wie die Situation vor Ort wirklich aussah, ist unklar. Jedenfalls wird unverhältnismäßig oft davon gesprochen, dass es so gewesen sein muss, wie oben beschrieben. Ein Bericht wird aber nicht wahrer, je öfter man ihn druckt. Ob die Polizei mit gutem Grund eingriff, Demonstranten grundlos festgenommen wurden oder Schläger die Gewalt schürten und die Polizei zum Eingreifen zwang ist definitiv nicht so eindeutig, wie es in den Medien dargestellt wird.

Es sind die alten geblieben. Ein aktuelles Bild, dass sich
durchaus auch auf den Januar datieren leiße.
Hunderte Menschen folgten den Aufrufen, in Richtung Tahrir-Platz zu marschieren. Die Polizei wollte die Demonstranten daran hindern, den Platz zu besetzen und setzte Tränengas und Gummigeschosse ein, um die Menge auseinander zu treiben. Das ägyptische Gesundheitsministerium gab bekannt, dass bis zur Stunde über 1000 Menschen bei den erneuten Protesten verletzt worden sind. Die Szenen erinnern an die Tage des Frühlings, die Zeit der schweren Kämpfe und der vielen Opfer. Für viele Ägypter ist es erschreckend, dass die Polizei mit den gleichen Methoden vorgeht: Auseinandertreiben, demoralisieren, Einzelne als Exempel misshandeln. Wieder bitten die Demonstranten um Lebensmittel, medinzinisches Material und Ärzte. Auf die Armee hoffen indes viele Ägypter nicht mehr. Auch Menna sagt, es sei naiv gewesen zu glauben, dass die Armee und das Volk eine Hand sind, die sich um das Land sorgt und kümmert und es erneuern will.

Gleichzeitig hat der Oberste Militärrat eine Stellungnahme auf seiner Facebook-Seite veröffentlicht. Die Vorfälle, so der Militärrat, seien ein neuer Beweis für das Ziel, Ägyptens Sicherheit und Stabilität zu erschüttern. Die Drahtzieher versuchten das Blut der Märtyrer der Revolution zu verwenden, um Gräben zwischen dem Volk und dem Sicherheitsapparat zu schaffen.

Zu einer Fernsehansprache zu den Vorfällen durch Premierminister Essam Sharaf kam es nicht. Er ließ sich entschuldigen. Er sei auf dem Weg nach Äquatorialguinea, um dem 17. Gipfel der Afrikanischen Union beizuwohnen. Er wird dort General Tantawi vertreten, der seit der Machtübernahme des Militärs die Funktion des Staatschefs in Zusammenarbeit mit den Mitgliedern des Militärrates ausfüllt.

Die Zeltstadt auf dem Tahrir-Platz im Freudentaumel.
Am 11. Februar 2011 tritt Hosni Mubarak nach einer
30-jährigen Präsidentschaft zurück.
In der folgenden Nacht wurde der Tahrirplatz wieder bevölkert von tausenden Ägyptern, die sich an die Zeit erinnerten, als sie dort in einer Zeltstadt lebten. Sie hatten eine eigene Administration, eigene Gesetze, eigene Zeitungen und veranstalteten Diskussionsrunden und kulturelle Events und bewegten mit ihrer Standhaftigkeit Hosni Mubarak zum Rücktritt.

Diese und die nächsten Tagen werden wieder turbulente Tage für Ägypten. Die Nachrichten überschlagen sich. Jede Meldung über die Verzögerung von Prozessen gegen die Verantwortlichen der Tötungen von Demonstranten wird mit neuen Streikaktionen beantwortet. So hatte Anfang der letzten Woche die Vertagung des Prozesses gegen Ex-Innenminister Al Adly zu Tumulten vor dem Gericht geführt. Al Adly wird vorgeworfen, für die Tötung von 800 Menschen während des 18-tägigen Aufstandes verantwortlich zu sein, der zum Sturz Mubaraks führte. Das von der Administration kristisierte unverhältnismäßige Verhalten der Polizei in der Nacht vom 28. auf den 29. Juni bewegt immer mehr Menschen dazu, wieder in Richtung Tahrir-Platz zu gehen. Tahrir heißt Befreiung und diese haben die Demonstranten vor Augen. Die Ägypter wollen ihr Land zurück.

Aktuelle Bilder: Ein Demonstrant sucht Deckung
Man kann nur mutmaßen, welche Elemente in Ägypten für die neuen Unruhen verantwortlich zu machen sind. Richtig ist, dass viele Ägypter nun wieder die Polizei im Visir haben. Sie soll nach dem Willen vieler Ägypter, ähnlich wie die Staatssicherheit, völlig umstrukturiert werden. Amr Gharbeia, ein Mitglied einer ägyptischen Initiative für Persönlichkeitsrechte ist der Meinung, dass der Polizeiapparat sofort hätte aufgelöst werden müssen. Die Polizei sei neben der Staatssicherheit das Hauptmittel der Unterdrückung durch Mubarak gewesen. Der derzeitige Minister für Kultur Emad Abu Ghazy geht davon aus, dass ehemalige Günstlinge Mubaraks die Fäden in der Hand halten und nun gezielt Gewalt schüren wollen. Andere sind der Ansicht, dass die gerichtlich verordnete Auflösung der Amtsgerichte in Ägypten, deren Bedienstete ausschließlich der Partei Mubaraks angehörten, zu den neuen Unruhen führte.

Einige aussichtsreiche Präsidentschaftskandidaten äußerten sich ebenfalls. So verlangte El Baradei eine Erklärung durch den Militärrat. Es stünde die Frage im Raum, warum Polizeikräfte Gewalt gegen Demonstranten einsetzten. Amr Moussa schrieb über Twitter: "Ich rufe jeden dazu auf, Ägyptens Stabilität, das Ansehen des Landes und die Revolution zu schützen. Das Blut der Märtyrer soll nicht umsonst geflossen sein."

 Abu El Fotouh, Generalsekretär der Vereinigung Arabischer Ärzte und ehemaliges Mitglied der Muslimbrüder verurteilte die Gewalt gegen die Demonsranten und forderte den Rücktritt des amtierenden Innenministers Mansour Al Essawy. Gruppen der Jugendbewegung fordern Prozesse gegen verantwortliche Polizisten und die Entlassung des Polizeichefs von Kairo.

Viele Beobachter sind sich einig darüber, dass es der Übergangsregierung unter Premierminister Essam Sharaf nicht gelungen sei, diese Phase des Übergangs zu bewältigen und eine Aufarbeitung der politischen und gesellschaftlichen Missstände in Ägypten zu betreiben.

In der Tat gibt es keine Programme, keine Diskussionen über Inhalte und wenn sie geführt werden, dann sind sie überschattet von Misstrauen. Die Ursachen der neuen Unruhen sind nicht in den Details zu suchen. Sicherlich sind alle Erklärungsansätze Teil der Ursache. Letztendlich aber muss geklärt werden, welche Befugnisse die Polizei durch den Militärrat erhält. Sollte der Militärrat verantwortlich sein für den massiven Polizeieinsatz, dann wäre es möglich, dass die Militärregierung unter allen Umständen verhindern wollte, dass die durch Jugendorganisationen für den 8. Juli angekündigten Proteste in ähnlicher Intensität stattfinden wie die Proteste des 25. Januar, die den Anfang der Revolution markierten.

Nach dem Fußballspiel trafen sich Fans und Demonstranten
am Mittwochabend auf dem Tahrir-Platz
Es mangelt an Ernsthaftigkeit bei allen Beteiligten. Während sich innerhalb der Jugendorganisationen Rangeleien um öffentliche Auftritte ergeben und ein ungeahnter Narzismus zu Tage tritt, übt sich die Übergangsregierung in Kosmetik: Brot und Spiele für das Volk, wenn kurzfristig entschieden wird, dass das Kairoer Fußball-Derby Ahly gegen Zamalek nun doch am Mittwochabend stattfinden sollte. Während Demonstranten auf dem Tahrir-Platz ihre nächsten Aktionen planen, die Polizei die Stellung hält und die Arme zusieht, spielen Ahly und Zamalek 2:2. Herzlichen Glückwunsch!

Essam Sharaf reist zum Gipfeltreffen der Afrikanischen Union. Dort habe er eine wichtige Rede zu halten, um die Interessen des palästinensischen Volkes zu untermauern. Was ist mit den Interessen des ägyptischen Volkes? Eine neue Art von Patriotimus, die ich nicht verstehe? Viele waren froh, dass Sharaf das Amt des Ministerpräsidenten übernommen hatte. Er hatte den Demonstranten noch Monate zuvor Mut gemacht. Heute stellt sich Ernüchterung bei den Demonstranten ein.

Die Armee surft auf Facebook und die Gerichte, die heute ein Urteil im Fall des durch Polizisten zu Tode gefolterten Khaled Saeed fällen sollten, vertagen den Urteilsspruch einfach auf den 24. September.

Eine weitere Absurdität "im Namen des Volkes": Samir Abdel Mageed verlor am 28. Januar während der Proteste ein Auge. Polizisten hatten ihn beschossen. Das zuständige Gericht verurteilte das Innnenministerium 50.000 ägyptische Pfund (ca. 5785 Euro) an den Mann zu zahlen. 25000 Pfund habe der Mann an Arztkosten aufbringen müssen und 25000 Pfund stünden ihm als Schmerzensgeld zu. Das Opfer selbst hatte 5 Millionen Pfund gefordert. Ach, ich vergass: Die amerikanische Außenministerin Hillary Clinton gab heute bekannt, dass man wieder intensiver mit den ägyptischen Muslimbrüdern spreche. Zeiten ändern sich...

Man sollte sich auch in Erinnerung rufen, dass zur Stunde Demonstranten verhaftet werden und ohne Verfahren einen mehrtägigen Arrest in einem Militärgefängnis ausitzen müssen. Täter der meisten Übergriffe auf Demonstranten sind frei und es gibt innerhalb des momentanen politischen Sytems in Ägypten keine Instanz, die dies korrigiert.

Übrigens, sollten Sie ägyptische Bockshornkleesamen zur Aufzucht von Sprossen verwenden, sollten Sie spätestens jetzt damit aufhören. Die stehen nähmlich nunmehr im Verdacht ein Heim für die gefährlichen EHEC-Erreger zu sein.


19.06.2011

Khaled Saeed - Die Toten mahnen die Welt

Ein Mahnmal vor dem ägyptischen Innenministerium gedenkt Khaled Saeed, einem Opfer der ägyptischen Polizeibrutalität.

Von Daniel Roters


Unendlich traurig war Umm Saeed als sie mir auf meiner Taxifahrt im September 2009 erzählte, dass sie nun auf dem Weg zum ägyptischen Innenministerium am Lazoghly-Platz sei. Ich verstand damals nicht sofort, was dies bedeutete. Heute – nach der Revolution –  kann ich sie verstehen: Den Ausdruck in ihren Augen und die Wahl ihrer Worte. Vorsichtig hatte sie mir im Taxi mitzuteilen versucht, dass sie von der Festnahme ihres Sohnes ausging. Huwa ragel siyasiy (Er war ein politischer Mensch), sagte sie in einem breiten Ägyptisch. Sie schien darüber nicht wirklich erfreut. Sie erzählte mir, dass er in der Universität ständig mit Leuten über Politik gesprochen hatte. Er hatte Freunde Verwandte und Bekannte dazu aufgerufen, aktiv zu werden, Missstände anzuklagen und persönlichen Umfeld den Wandel voranzutreiben.

Ich wusste nun: Hört man von einer Festnahme eines Bekannten durch die Staatssicherheit fährt man zum Innenministerium, um mehr Informationen um den Verbleib der Verschwundenen zu erhalten. Seit der Begegnung mit Umm Saeed war mein Blick geschärft. Plötzlich sah ich jedes Mal eine Reihe von Müttern, die auf ihre Söhne oder Töchter warteten. Jedes Mal auf dem Weg nach Hause fragte ich mich, wie viele junge Menschen wohl in irgendwelchen Verhörräumen ausgefragt wurden, wie viele Eltern keinen Schlaf fanden.

In diesem Frühling waren es die Gebäude der Staatssicherheit und des Innenministeriums, die von den Demonstranten belagert wurden. Die Angst vor dem Unterdrückungsapparat war gebrochen. Die Hilflosigkeit der Massen verwandelte sich in einen Volkszorn, den der alternde Pharaoh unterschätzt hatte. Sie waren erzogen worden, untätig zu sein, unpolitisch zu sein, sich nicht in die Angelegenheiten der Staatsführung einzumischen. 

Wir sind in Alexandria. Es ist der 6. Juni 2010. Der 28-jährige Khaled Saeed sitzt in einem Internetcafé. Polizeioffiziere betreten das Café, zerren den jungen Mann auf die Straße. Auf dem Weg zum Polizeiauto schleudern die Polizisten den jungen Mann gegen Wände, schlagen auf ihn ein, stoßen seinen Kopf gegen die Stufen einer Treppe. Khaled Saeed wird buchstäblich zu Tode geprügelt. Die Polizei hatte ihn angeblich wegen Waffenbesitzes und Diebstahls verhaften wollen. Später wurden Zeugen gekauft, die Aussagen sollten, dass Khaled mit Canabis gehandelt habe. Personen aus seinem Umfeld sagen, dass Khaled belastendes Material besaß, welches durch die Polizei begangene Straftaten dokumentierte. 

Wir wissen heute nur, dass Khaleds Fall in ganz Ägypten Aufsehen erregte. Fotos, die die Leiche des Jungen zeigten, verbreiteten sich wie ein Virus im Internet und in den sozialen Netzwerken. Unser Blog berichteteüber die Umstände, die die Revolution in Ägypten antrieben. 

Khaled Saeed ist zu einem Symbol für die Protestbewegung geworden. Der Fall Khaled Saeed hatte den Menschen gezeigt, dass sie im Grunde genommen hilflos waren, würden sie nicht auf die Straße gehen und gegen die ungeheuerliche unmenschliche Behandlung der Landsleute durch ihre eigene Regierung protestieren, im Bewusstsein, dass dies lebensgefährlich ist.

In Tunesien markierte der Selbstmord des Mohamed Bouazizi aus Sidi Bouzid den Auftakt für den arabischen Frühling. In der Folge ließen viele Menschen während der Proteste ihr Leben. Die Stimme des Protests verbreitete sich: Erst in der kleinen Stadt Sidi Bouzid, dann in Tunis und schließlich in der gesamten arabische Welt.

Während der revolutionären Unruhen in Ägypten versuchten die Demonstranten systematisch die Symbole der Macht und die Zentren des ägyptischen Unterdrückungsapparates auszuschalten. Polizeistationen wurden angezündet und Gebäude der Staatssicherheit gestürmt, um Dokumentesicherzustellen, die die Systematik der Menschenrechtsverletzungen durch dasägyptische Regime beweisen sollten. 

Uns erreichten unheimliche Bilder aus unterirdischen Verließen, in denen hunderte von Menschen Platz gefunden haben mussten. Dort wurden sie gefoltert, gedemütigt, bedroht, vergewaltigt durch Männer in Uniform. Es wurde bekannt, dass die ägyptische Regierung systematisch Ressentiments zwischen Muslimen und Kopten befeuerte, um das eigene Handeln zu rechtfertigen.Wir mussten zur Kenntnis nehmen, dass der ägyptische Untersrückungsapparat das ägyptische Volk mit finanziellen und materiellen Mitteln aus dem Ausland drangsaliert hatte.

Mubarak ist Geschichte. Die Armee übernahm die Staatsgeschäfte, aber auch vertrauensbildende Maßnahmen, wie eine Medienoffensive (Sawtuna berichtete) und die Kooperation mit den Untersuchungen gegen Mitglieder des alten Regimes können nicht darüber hinwegtäuschen, dass weiterhin Menschenrechtsverletzungen an der Tagesordnung liegen. Hatte man noch während der Massendemonstrationen gerufen „Die Menschen und das Militär sind eine Hand!“, so stellen sie nun ernüchternd fest, dass sie im Grunde genommen am Anfang einer langen Zeit des gesellschaftlichen und politischen Wandels stehen.

Genau ein Jahr nach dem Tod Khaled Saeeds besprühten nun Aktivisten die Außenmauern des Innenministeriums. Zu sehen ist Khaled, sein Mund ausgespart. Dort wo der Mund sein sollte liest man:
Khaled Saeed starb am 6. Juni 2010 durch Polizeigewalt.
Er wurde nur 28 Jahre alt. (Foto: Hossam El-Hamalawy)
Wird mein Blut - durch deine Augen - zu Wasser werden? Wirst du mein blutbeflecktes Gewand vergessen?
Khaled Saeed mahnt die Menschen über den Tod hinaus. Es darf nicht alles umsonst gewesen sein, scheint er ausdrücken zu wollen.

Die Zeilen an den Wänden des Innenministeriums stammen aus einem Gedicht des Ägypters Ahmad Dunqul (1940-1983), der in seinem Gedicht „La Tusalih“ („Macht keinen Frieden“), geschrieben vor Sadats historischem Besuch in Jerusalem, die durch harte Kompromisse erzielte Friedensvereinbarung zwischen Israel und Ägypten vorausahnend.

Die Botschaft der Stifter dieses einfachen Mahnmals ist deutlich: Macht keinen Frieden mit diesem Regime! Doch wie kann die Gesellschaft geheilt werden? Misstrauen und Angst vor der Zukunft lässt die Akteure des Wandels in Ägypten in eine Lethargie verfallen, so scheint es. 

Im Folgenden das Gedicht von Amal Dunqul in englischer Übersetzung, die 2009 für das Center for Intercultural Dialogue & Translation im Rahmen eines Papiers über die Rolle der Dichtung für den interkulturellen Dialog angefertigt worden ist.


Do not Reconcile!
By Amal Dunqul


(1)
Would they grant you gold.
Should I gouge your eyes,
Fix two jewels in their place
Could you still see?
Such are not to purchase:
You and your brother, your memories of childhood,
Your sudden feeling of manhood,
Longing suppressed by bashfulness, when you hug him.
Silence…smiling at your mother's scold
As if... you were still children!
Your eternal reassurance:
That two swords are your sword
And two voices are your voice
That if you die:
The house has a god
The child a father
"Will my blood -- through your eyes -- turn to water?
Will you forget my blood-stained robe?"

Wear a brocaded one with my blood underneath?
Such is war!
It may burden the heart
But the Arabs' shame is behind
Do not reconcile!
Nor seek to hide!

(2)
Do not reconcile!
Not even for blood!
Make no conciliation!
Would they say a head for a head!
Is one head like another?
Is the stranger's heart like that of your brother?
Has he your brother's eyes?
A hand whose sword was yours…
Could it even that whose sword bereaved you?

They would say:
We've come to you to spare blood
We've come, - O prince -  be our judge
They would say:
Now we're cousins.
Tell them: they trod on their cousinship to those they killed
And plant the sword into the front of the desert
Till echo repeats
That for you I was
A knight,
A brother,
A father,
And a king!

(3)
Make no conciliation…
If you're denied sleep by screams of remorse
And retain …
If women in black with their children bereft of smile soften your heart
That "El-Yamama" your niece
Is a flower, in her youth,
Garbed in a mourning dress
She used to run down the palace stairs
On my return,
And on my coming down hold my legs…
I lift her – while she smiles- on the back of the horse.
Here she is…silent
The hand of treason
Has deprived her of hearing her father's words,
Wearing the new dress,
Having one day a brother,
Or in her wedding a smiling father
To whom she returns when the husband is mad at her,
And to whose arms, his grandchildren race
To get their presents,
To pull the turban,
And to mess up his beard.

Do not reconcile!
This dove (El-Yamama) has committed no guilt
To suddenly see the burning nest
While she rests on the ashes!

(4)
Do not reconcile!
Would they crown you a prince
How could you step on the body of your father's son?
And on faces of fake joy…
Become a king?
How could you look in the hands you shake
Without noticing blood in every hand?
An arrow that caught me from behind …
Will catch you from a thousand sides
For blood has now become a badge of honor.
Do not reconcile!
Would they crown you a prince
Your throne is a sword,
And false is your sword
Shouldn't you, with its wisp, weigh moments of honor
And in luxury find rest.

(5)
Do not reconcile!
Should those who waver in battle say
" … we can not bear swords unsheathe …"
When truth fills your heart:
Fire erupts when you breathe
And the voice of treason gets dumb
Do not reconcile!
No matter how many words of peace they speak
How could the lungs breathe in the foul breeze?
How could you look a woman in the eye…
If you know you can not shield her?
How could you, in love, be her knight?
Or for a newborn sleeping and waiting for a tommorow?
How could you dream or sing of future for a boy
Who grows up between your hands with a weary heart?
Do not reconcile!
Nor share with your murderers food
And with blood,
Your heart waters
The holy soil,
And your resting ancestors
Until the bones do answer you

(6)
Do not reconcile!
Should the tribe beseech you
By El-Galila's sadness
To be a foxy fellow
And show acceptance.
They would say:
Here you seek a long vengeance;
Now take what you can:
A little right…
In these few years
The revenge is not only yours,
But the coming generations' too
And tomorrow…
Someone will be born to put on the full armor,
And a sweeping fire,
to demand vengeance
And to help the truth to come into life
From the heart of impossibility
Do not reconcile!
Should they say it is only a device
Such is revenge
Its flame in the heart fades away
As seasons pass by
And with its five fingers remains sealed the hand of disgrace
Upon disgraced brows!

(7)
Make no conciliation, though stars may warn you
And fortunetellers make you a prophecy
I would have forgiven had I died…
Perplexed between right and wrong.
I was not an invader,
Never sneaked near their camps,
Nor hovered around their borders,
Never approached their vineyards
Their garden I never trod.
My murderer did not shout: "watch out!“
He walked with me …
Then shook my hand …
Then hoofed a little
But in the bushes he hid!
Then all of a sudden:
A shudder riddled me between two ribs…
My heart shivered - as a bubble - and slacked!
I braced myself up, till on my arms I weighed
I saw my cruel cousin
With a sordid face, maliciously satisfied
I had no spear
Nor an old weapon,
Nothing but my rage complaining of thirst.

(8)
Do not reconcile…
Till existence returns to its cycle:
Till …
To their orbits, return the stars
To their twitter… the birds
To their grains… the sands
And the murdered to his waiting child
All was ruined in a fleeting second:
Youth, family joy, horse neigh, guests hosting, the heart murmur when a bud in the garden withers, prayer for seasonal rain
The heart dodges when the bird of death hovers over the savage wild
All was ruined in a flagrant slide
And who murdered me is not a god
To have me killed by his will
Not grander than me… to take my life with his sword
Nor smarter…to finish me off with his sly fraud
Do not reconcile!
For it's only an accord between two rivals…
Unbroken by the honor of the heart
And that who murdered me is a mere thief
He stole the land before my eyes
As silence broke into a mocking laugh!

(9)
Do not reconcile!
Though all sheikhs against your sword may stand
With shadow men whose souls are cracked
Those who love sopped bread and meat
And surmounting slaves
Those whose turbans dangled on their eyes,
And their Arab swords have forgot chivalry years
Do not reconcile!
This desire shall be odd
In this age you're the sole knight
Others…are freaks!
Do not reconcile ...
Do not reconcile ...