07.03.2011

Foltergefängnisse und das Geschäft mit der Unterdrückung - Ägypter rechnen mit der Vergangenheit ab

Ägyptische Aktivisten versuchen aller Beweise über die Gräueltaten des ägyptischen Regimes habhaft zu werden

Von Daniel Roters

Es ist Freitag, der 4. März. Auf dem Tahrir-Platz feiert die Pro-Demokratie-Bewegung "ihren" neuen Premierminister Essam Sharaf, der für die Bewegung ein annehmbarer Vorschlag war, da dieser selbst wiederholt die Korruption und das desaströse Bildungssystem Ägyptens kritisiert hatte. Von Mitte 2004 bis Ende 2005 war er Verkehrsminister im Kabinett Nazif. Nach einem daramtischen Eisenbahnunglück mit vielen Toten und Verletzten trat Sharaf zurück, weil es dem Land an Ressourcen und Vision fehle, um in Verkehrsfragen innovative Lösungen zu finden.

Gut einen Monat nachdem Mubarak das Feld räumte, sahen sich rund 2000 Pro-Demokratie-Demonstranten am 6. März wieder Angriffen von 200 Schlägern ausgetzt. Die Männer sollen Polizisten in Zivil gewesen sein, teils bewaffnet mit Messern, Schwertern und selbstgebastelten Bomben. Dies war anscheinend ein verzweifelter Versuch die Beweissicherung durch die Aktivisten zu verhindern. In den letzten Wochen wurden Chefredakteure staatlicher Zeitungen und Arbeiter in Ministerien bei der Vernichtung von Aktenmaterial beobachtet. Bei einzelnen Aktionen gelang es den Aktivisten, Mitarbeiter des Chefredakteurs der Zeitung Al-Ahram, Osama Saraya, zu stellen. Auch in Alexandria stellten die Bürger die verhasste Staatssicherheit bei der Vernichtung von Dokumenten. Tagelang war für die Demonstranten auf dem Tahrir-Platz sichtbar, was die Überbleibsel des Regimes versuchten. Der Rauch über dem größten Verwaltungsgebäude am Tahrir-Platz (El Mogamma) ist Zeugnis davon, dass die Bürokraten Zeugnisse der Verbrechen am eigenen Volk verbrennen. Die Aktivisten versuchen weiterhin belastendes Material zu sichern und online zu stellen, wie zum Beispiel auf der Facebook-Seite Amn Dawla Leaks.

In den letzten Tagen war es Aktivisten gelungen, Büros des Innenministeriums und der Staatssicherheit zu stürmen, und zahlreiche Dokumente sicherzustellen, die der Staatsanwaltschaft übergeben werden sollen. Bei der Erstürmung von Gebäuden in 6th October City nahe Kairo stießen sie auf geheime Gefängnisse, in denen die Staatssicherheit Ägypter verhört und gefoltert hat. In einem Hauptquartier in Nasr City stießen die Aktivisten auf Abhörprotokolle von Telefonaten zwischen Professoren, politischen Aktivisten und Politikern der Opposition. Die sichergestellten Dokumente werden manch schmutzige Verbindung zwischen der Geschäftswelt und dem Regime der Mubarak-Ära zu Tage treten lassen. Ein Fundstück, dass der ARD vorliegt beweist, dass die Münchener Firma GAMMA der Staatssicherheit ein Angebot über Abhörtechnik vorlegte. Diese Technik ermöglicht das Abfangen und die Auswertung jeglicher Internetkommunikation. Auch soll es möglich sein, Laptops so zu infiltrieren, dass deren Kameras und Mikrofone ganze Räume ausspähen können. Es bleibt abzuwarten, ob die Staatsanwaltschaft München wegen des Verstoßes gegen § 202c StGB gegen die Verantwortlichen bei GAMMA vorgeht.

Folgendes Video zeigt, wie ägyptische Aktivisten Gebäude der Staatssicherheit belagern und ein geheimes Gefängnis betreten. Man beachte die Wände, die schalldicht isoliert worden sind. Auch zu sehen sind Botschaften der Inhaftierten, mitunter auch das Symbol der ägyptischen Muslimbrüder. Es wird vermutet, dass es etliche dieser Gefängnisse gibt. Kaum vorstellbar wie viele Schreie diese Verließe nicht verlassen haben, wie vielen Menschen hier der Wille gebrochen wurde...


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