Folge 2 einer Serie über den arabischen Frühling in Syrien. Frau Manstetten ist Studentin an unserem Institut.
Von Paula Manstetten
Seit
nunmehr über 100 Tagen ist Syrien von Unruhen erschüttert, von einer Revolte, von
der derzeit wohl niemand mehr so recht glaubt, dass sie noch ein „gutes“ Ende
nehmen könnte. Anlass zur Hoffnung gab, dass am vergangenen Montag erstmals eine von der
syrischen Regierung genehmigte Zusammenkunft von über hundert Oppositionellen
in einem Damaszener Hotel stattfand (siehe http://english.aljazeera.net/news/middleeast/2011/06/20116283558545951.html
und http://www.taz.de/1/politik/nahost/artikel/1/offene-debatte-im-hotel/).
Doch einmal mehr haben dieses Treffen, die Reaktionen der Medien und die der
oppositionellen Gruppierungen gezeigt, wie komplex und unübersichtlich die Lage
in Syrien ist. Zeigt die Tatsache, dass dieses Treffen zustande kommen konnte,
dass sich die Opposition von der Regierung instrumentalisieren lässt? Oder
kommt hier der Reformwille Baschar al-Assads zum Ausdruck, der sich bereit
zeigt, auf die Forderungen der Opposition einzugehen? Jedenfalls gab es
Proteste seitens einiger oppositioneller Gruppierungen, die zu keinem Dialog
bereit sind, solange Baschar al-Assad nicht zurücktritt. Ebenfalls Proteste gab
es von Unterstützern des Assad-Regimes. Die syrische Bevölkerung ist gespalten,
die Opposition ist es auch.
***
Während
es ab Mitte März in zahlreichen syrischen Städten kleinere und größere Demonstrationen
gab, die zum Teil blutig niedergeschlagen wurden und während bereits die Armee
im Einsatz war, um weitere Proteste zu unterdrücken, erlebte ich Damaskus bis
zum Ende meines Aufenthalts in Syrien (Ende April) als verhältnismäßig ruhig –
unwirklich ruhig, könnte man vielleicht sagen. In gewisser Weise ist die
Hauptstadt bis heute erstaunlich unberührt geblieben von der Art von Unruhen,
die wir in den westlichen Medien zu sehen bekommen, diese spielen sich dort in erster Linie in
den Vororten oder in einzelnen Stadtvierteln ab, deren Grenzen sie nicht
überschreiten. Solange ich in Damaskus war, schien die Revolte unwirklich fern,
man hätte gar nicht gewusst, dass es sie gab, hätten die Medien nicht täglich
die Unruhen in die Wohnzimmer getragen,
hätte sich nicht auf einmal das Straßenbild politisch aufgeladen.
Das Propagandaministerium
leistete offensichtlich exzellente Arbeit, die von eifrigen regimetreuen
Bürgern in Eigenregie multipliziert wurde. Der Wind der „Krise“ war in jedem
Winkel von Damaskus angekommen, wenn auch auf ganz andere Art und Weise als
durch Proteste: Am auffälligsten in Form von syrischen Flaggen und Portraits
des Präsidenten in den Straßen, an Kreisverkehren, Bushaltestellen, in
Geschäften, aufgeklebt auf Autos und Busse. Ein Großteil der normalen
Werbeflächen, die sonst für Duschgels, Kaugummis und Ugarit-Cola warben, wurde
nun genutzt, verschiedenste Propagandaplakate zu zeigen. Aus Musikgeschäften
und Autos dröhnten nationalistische Lieder, in denen es immerzu um das geliebte
Syrien und den geliebten Präsidenten ging, und im vormals als eher langweilig
verschrienen Staatsfernsehen, das nun neuerdings anstelle des Senders
al-Jazeera in vielen Haushalten, Geschäften, Imbissstuben oder beim Friseur
lief, konnte man ebenfalls ständig Musik zur Stärkung des Nationalgefühls
hören. Diese Propaganda sickerte mehr und mehr in den Alltag ein, es war unmöglich,
ihr nicht ständig zu begegnen.
Gleich
nach meiner Heimkehr aus Latakia erlebte ich im Linienbus nach Damaskus die
ersten Früchte der laufenden Propagandamaschinerie. Der Busfahrer hatte das
Radio eingeschaltet, berichtet wurde von ausländischen Gruppierungen, die sich
ins Land eingeschlichen hätten, um einen Bürgerkrieg anzuzetteln. Das Radio
sendete dann ein „Verhör“ mit einem dieser Verbrecher, doch klang es eher wie ein
Interview, ein nettes Geplänkel, wenn man nur auf den Klang der Stimmen und die
Sprache achtete. Inhaltlich hatte es das Gespräch in sich. Der Betreffende „gestand“,
er sei aus Ägypten, sei dort an der Revolution beteiligt gewesen und nun nach
Syrien gekommen, um das Land zu destabilisieren. Er habe außerdem die
amerikanische Staatsbürgerschaft. Ob er schon einmal in Israel gewesen sei?
„Ja, so etwa drei Mal…“. Er verkörperte insofern fast alle syrischen
Feindbilder in einem – es hätte nur noch gefehlt, dass er sich als radikaler
Muslimbruder ausgegeben hätte.
Obwohl
Präsident Baschar al-Assad mittlerweile immer wieder erwähnt, es gebe ja
durchaus Forderungen nach Reformen, die eine gewisse Legitimität hätten, werden
Regierung und syrische Staatsmedien bis zum heutigen Tag nicht müde, alle
Unruhen auf eine hinterhältige Verschwörung zu schieben. Die zahllosen Todesfälle,
die auch die syrischen Medien nicht allesamt totschweigen können, werden zum
Ergebnis der Brutalität bewaffneter Gruppen erklärt, die angeblich wahllos auf
Passanten schießen und Sicherheitskräfte und Soldaten töten. Von den Protesten
in vielen Städten und deren blutiger Niederschlagung berichten die Staatsmedien
freilich nicht, wohl aber al-Jazeera, al- ‘Arabiyya, BBC etc., alles Sender,
die man in Syrien empfangen kann und die, bevor der Arabische Frühling Syrien
erreicht hatte, weit häufiger eingeschaltet wurden als die Staatsmedien.
Ich
selbst amüsierte mich anfangs noch über den schier unerschöpflichen Erfindungsreichtum
der Presse. Ich dachte, diese Verschwörungstheorie hätte lachhaft erscheinen
müssen, weil mir der Zusammenhang zwischen der tunesischen und ägyptischen
Revolutionen und dem syrischen Aufbegehren gegen die Diktatur offensichtlich
erschien; weil staatliche Medien dafür bekannt sind, Propaganda zu verbreiten. Doch
verging mir das Lachen bald, als ich feststellte, dass ein Großteil meiner
Bekannten und Freunde genau an diese Verschwörung glaubte und mir immer wieder erklärte,
man müsse nun als Nation zusammenhalten. Sie hatten dementsprechend ein ganz
anderes Bild von den Geschehnissen, als wir es im Westen vermittelt bekamen. Dass
Menschen, die dem Regime ohnehin kritisch gegenüber stehen, den syrischen
Medien kein Wort glauben, versteht sich von selbst. Aber all die, die aus
welchen Gründen auch immer auf Seiten der Regierung stehen oder neutral und
unpolitisch sind, sind leicht von dieser Propaganda beeinflussbar.
Ich musste
die ganze Anti-Oppositions-Propaganda nicht nur durch die Nachrichten, sondern
auch aus dem Mund meiner Freunde hören – man kann sich vielleicht vorstellen,
wie belastend das für mich war, hatte ich doch anfangs mit vielleicht etwas
blinder Hoffnung auf die Proteste geblickt, die mit unglaublichem Mut und
Zähigkeit mehr Freiheit forderten. Die Süddeutsche Zeitung schrieb einmal, die
Verschwörungstheorie mit all ihren Auswüchsen würden „nur die Allerdümmsten“ glauben,
auf ARTE hieß es, „das ganze syrische Volk“ lehne sich nun gegen Assad auf. Ich
wünschte, es wäre so einfach, denn dann wäre die Krise in Syrien vielleicht
bereits gelöst.
Wer
sollten eigentlich diese Verschwörer sein? Die an sich leere Aussage „bewaffnete
ausländische Gruppen“ wurde vielleicht absichtlich unbesetzt gelassen bzw. mit ganz
unterschiedlichen Inhalten gefüllt, Medienpropaganda mischte sich mit Gerüchten
und Halbwahrheiten. Am Werk sah man u.a. Israel, die USA (bzw. den „Westen“),
den Libanon, Saudi-Arabien, Muslimbrüder und Kurden.
Israel
eignet sich in Syrien natürlich bestens als Feindbild, ebenso die USA. Da
passte es wunderbar, als sich herausstellte, dass die USA wohl schon seit 2006
die syrische Opposition finanziell unterstützten, wie Mitte April durch
WikiLeaks öffentlich wurde (http://www.washingtonpost.com/world/us-secretly-backed-syrian-opposition-groups-cables-released-by-wikileaks-show/2011/04/14/AF1p9hwD_story.html).
Diese Unterstützung wurde (irgendwie natürlich auch zu recht) als direkter
Angriff auf das Regime Assads gewertet. Als Barack Obama nach dem sog. „Karfreitagsmassaker“
die Gewalt in Syrien aufs Schärfste verurteilte, sandte das syrische Fernsehen
in Dauerschleife, eine offizielle Quelle habe verlauten lassen, Obamas Aussage
beruhe nicht auf einer objektiven Einschätzung der Lage. Überlegungen zu Sanktionen
und zur Möglichkeit eines direkten Eingreifens in Syrien waren dann Wasser auf
die Mühlen der syrischen Staatsmedien, die hierin die Bestätigung für ihre
These sahen, dass die USA, ja der gesamte Westen es sich zum Ziel gesetzt habe,
Assad zu stürzen.
Über
die Anfänge der Unruhen in Der’a
kursierte u.a. folgendes Gerücht: ein dort ansässiger Stammesverband, der sich enger mit seinen Stammesgenossen in Saudi-Arabien
verbunden fühle als mit dem Staat Syrien, sei von Saudi-Arabien aus finanziell
unterstützt worden, um Unruhen in Syrien zu schüren. Syrien pflegt traditionell
enge Kontakte zum schiitischen Iran und zur schiitischen Organisation Hisbollah
im Libanon – was dem sunnitisch geprägten Saudi-Arabien zweifelsohne mehr als
nur ein Dorn im Auge ist, diese Tatsache machte die Geschichte in den Augen
vieler plausibel.
Auch
den Muslimbrüdern, die in Syrien seit Jahrzehnten aufs Schärfste verfolgt
werden, schob man die Schuld an den Unruhen in die Schuhe. Diese Unterstellung
spielt mit den Ängsten vor der Erstarkung radikal-islamischer Kräfte, die in
einem multireligiösen Land wie Syrien natürlich besonders groß sind. Man muss
allerdings sagen, dass sich Muslimbrüder bzw. tendenziell mit den Muslimbrüdern
sympathisierende Syrer tatsächlich vergleichsweise stark an den Protesten zu
beteiligen scheinen. Das legen verschiedene Videos, Flugblätter und
gelegentliche Jihad-Aufrufe nahe. Früh wurde auch bekannt, dass der Administrator
einer der Facebook-Gruppen der Opposition ein Muslimbruder ist, der sich in
Schweden befindet. Was auch immer das konkret bedeuten mag – solche Details
sind es leider, die das Bild der Opposition unter den bisher unbeteiligten
Syrer mitprägen.
Tishreen-Zeitung
von 14.4., Titelblatt: „…terroristische Geständnisse: „Wir wurden von ausländischer Seite mit Geld und Waffen ausgestattet, um Sabotageakte in Syrien durchzuführen.“ |
Terroristen gemacht.
Nun ist
es tatsächlich so, dass im Laufe der Proteste auch immer wieder Angehörige des
Geheimdienstes, Soldaten und Offiziere zu Tode gekommen sind. Die große Frage
ist nur, wie. Wie die Opposition, die jeden ihrer Toten als „Märtyrer“
bezeichnet, nannte die Presse diese Offiziere ebenfalls „Märtyrer“: gestorben
im Kampf für das Vaterland. Sie wurden feierlich beigesetzt, Bilder der
Begräbnisse füllten ganze Titelseiten der Zeitungen.
Wir
wissen aber weiterhin nichts genaues; dass vereinzelte oppositionelle
Gruppierungen sich bewaffnet haben und gegen die hart durchgreifende Armee
kämpfen, scheint auch nicht ausgeschlossen zu sein, obwohl das wohl eher die
Ausnahme ist. Das Problem ist wirklich, dass Syrien keine ausländischen Medien
in die Orte lässt, in die die Armee einmarschiert ist, um „Jagd auf Terroristen“
zu machen. Eine unabhängige
Berichterstattung ist völlig unmöglich – damit müsste die Regierung natürlich
eigentlich all ihre Glaubwürdigkeit verloren haben. Aber sie hat auch hier eine
medienwirksame Strategie gefunden: Die ausländischen Medien seien von den
Verschwörern instrumentalisiert, um das Chaos im Land zu vergrößern, berichten
die Staatsmedien.
Im
Krieg mit al-Jazeera
Propagandaplakate gegen Al Jazeera |
Neben
diesen Plakaten, die gegen den Sender verbreitet wurden, wurden immer wieder Demonstrationen
vor al-Jazeera-Büros organisiert. Das syrische Fernsehen war fleißig damit
beschäftigt, einzelne Berichte von al-Jazeera auseinander zu nehmen und als
Lügen zu „entlarven“. Es wurde dann gezeigt, wie der Sender mit Hilfe von
Fotoshop Bilder und Videos fälsche, alte Videos oder Videos aus anderen Ländern
als Dokumente für die Ereignisse in Syrien verwende, Fake-Interviews sende (alles
Methoden, mit denen wahrscheinlich gerade die Staatsmedien schon viel Erfahrung
gesammelt haben!). Von hier war es nur ein kleiner Schritt dahin, zu behaupten,
al-Jazeera sei mitverantwortlich für das Chaos im Land, sei Mittäter der
Verschwörung. Es kann der syrischen Opposition nur schaden, wenn dann
gelegentlich herauskommt, dass einige in Umlauf gebrachte Foltervideos tatsächlich
aus dem Irak stammten oder dass die engagierte Bloggerin „A gay girl in
Damascus“ tatsächlich ein 40jähriger Amerikaner war, der unter einem Pseudonym
schrieb (http://www.washingtonpost.com/lifestyle/style/a-gay-girl-in-damascus-comes-clean/2011/06/12/AGkyH0RH_story.html).
(Selbst-)Darstellung Baschar al-Assads in den Medien
Das
Bild von Assad, wie es die Staatsmedien darstellen, unterscheidet sich
natürlich erheblich vom Bild des „Schlächters“, der „auf Demonstranten schießen
lässt“ und der „seine Bluthunde auf die Opposition loslässt“, wie es in den
westlichen Medien präsent ist. In den syrischen Medien zeigt sich Assad als
jemand, der stark und entschlossen gegen die Verschwörung kämpft und der „sein
Volk“ bittet, ihm den Rücken zu stärken. Gleichzeitig betont er seinen Willen
zu Reformen und seine Bereitschaft, gegen Korruption und Arbeitslosigkeit aktiv
zu werden.
Wenn
die westlichen Medien berichten, Assad lasse seine Gegner brutal
niederschießen, hört man im syrischen Fernsehen, dass der Präsident selbst
immer wieder ein Ende des Blutvergießens gefordert habe und erklärt habe, er
verbiete den Sicherheitskräften unter allen Umständen, auf friedliche
Demonstranten zu schießen. Die Armee sei dagegen eingesetzt worden, um die
Bevölkerung vor den terroristischen bewaffneten Gruppierungen zu schützen.
Am 30.
März hielt Assad seine erste Rede seit Beginn der Unruhen. Sie wurde live
übertragen und ich sah sie zusammen mit zwei syrischen Freunden. Es ist lohnend, sich diese Rede einmal in Ausschnitten
anzusehen. (Auf YouTube: http://www.youtube.com/watch?v=LUkrS5d23JE&feature=fvst
– Die komplette Rede in englischer Übersetzung ist hier nachzulesen: http://www.sana.sy/eng/21/2011/03/30/pr-339334.htm).
Gleich zu Anfang stellte sich das Gefühl
eines seltsamen Kontrasts zwischen Assad und seinen Zuhörern ein. Von den
anwesenden Abgeordneten standen immer wieder einzelne auf und unterbrachen ihn
in seiner Rede, um in übertriebenem Pathos Lobeshymnen auf ihn und
nationalistische Gedichte vorzutragen. Im Vergleich zu diesen Abgeordneten
wirkte Assad verständig und bedacht, gespielt locker. Er machte Witze, lachte
selbst am lautesten über sie, dann gab er „freimütig“ zu, sich mit den Reformen
– an denen man ja seit Jahren arbeite – „etwas“ verspätet zu haben. Man
kann es leider nicht anders sagen: Wenn man ihn so sieht, ist es schwer, sich
ihn als blutrünstigen Schlächter vorzustellen (was nicht heißt, dass er nicht trotzdem
einer sein könnte).
Vielmehr
habe ich zunehmend den Eindruck, dass er doch weit weniger Macht hat, als man
annimmt, die Fäden also – möglicherweise mit seinem Einverständnis – hinter
seinem Rücken gezogen werden. Die Familienstrukturen und die Machtverteilung
im Assad-Clan dürften recht kompliziert
sein. Die Tatsache, dass Assad vielleicht ein Schwächling ist, spricht ihn aber
von keiner Verantwortung frei – er ist und bleibt das Sinnbild dieser Diktatur.
Am Abend nach der Fernsehansprache war auf al-Jazeera und in den meisten
westlichen Medien zu lesen, das syrische Volk sei enttäuscht von dieser Rede,
da Assad nur wage Versprechungen gemacht habe und zudem angekündigt habe, hart
gegen jegliche Opposition durchzugreifen. (Die Reaktionen der Medien auf seine
zweite und kürzlich auf seine dritte Rede waren übrigens in etwa dieselben). Mein
Eindruck war ein ganz anderer. Meine Freunde waren zufrieden mit Assads Rede,
beruhigt und optimistisch, dass die Unruhen nun bald vorüber sein würden.
In
meinem Bekanntenkreis blieb das Bild von Assad auch weiterhin durchweg positiv.
Schließlich erfüllte er augenscheinlich einige Forderungen der Opposition,
indem er die Notstandsgesetzgebung aufhob und ein Gesetz verabschiedete, das
Demonstrationen erlaubt. Dazu muss ich auch sagen, dass Syrer mir mehrfach
sagten, sie hätten nie zuvor von diesem Ausnahmezustand gehört. Er betraf nur
diejenigen, die sich politisch engagierten, unpolitische Menschen bekamen von
ihm nichts zu spüren. „Sie haben den Ausnahmezustand aufgehoben, aber genau
jetzt erleben wir doch einen Ausnahmezustand“, sagten manche.
***
Die
Tatsache, dass Teile der syrischen Krise sich auch auf der Ebene der Medien
abspielen, ist meiner Meinung nach zentral, will man auch nur annähernd
verstehen (oder eher erahnen), was sich derzeit in Syrien abspielt. Und zwar
„abspielt“ nicht im Sinne harter Fakten, sondern bezogen auf das Lebensgefühl
der „normalen“, nicht unbedingt direkt betroffenen Menschen, ihre Ängste, ihre
Einstellung zur Regierung und zur Opposition. Entscheidend für die weitere
Entwicklung in Syrien wird neben dem Durchhaltevermögen der Opposition und der Positionierung
der syrischen Armee eben auch die Tendenz der öffentlichen Meinung sein. Diese
wird neben eigenen Erfahrungen vor allem durch die Medien geprägt, und da die
„Wahrheit“ über die aktuellen Geschehnisse nicht greifbar ist, sind es die
Konstruktionen der Wirklichkeit durch die Medien (und natürlich auch durch
Gerüchte und Mund-zu-Mund-Propaganda), die die Stimmung in der Bevölkerung
beeinflussen. Bevor wir nun, in unserer Ach-so-Aufgeklärtheit, all die Syrer
auslachen, die der Version der von der Regierung gesteuerten Staatsmedien
glauben, denen wir ja nachsagen würden, dass sie grundsätzlich lügen, sollten
wir uns vielleicht fragen, wie oft wir selbst die Nachrichten, die wir hören,
hinterfragen. Ich kann nur jedem raten, einmal die Website der syrischen
Nachrichtenagentur zu besuchen (http://www.sana.sy/index_eng.html ) und die Wirkung dieser suggestiven
Berichterstattung am eigenen Leib auszutesten.
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