04.10.2011

Maikel Nabil Sanad: Ein Tod auf Raten

Von Daniel Roters, Kairo

Sahar Maher (21),
festgenommen am 4. Oktober 2011, sagte uns am 10. Februar 2011:
"Ich nehme an diesen Demonstrationen teil, weil ich meine Würde
und meine Freiheit verteidigen muss."
Am 4. Oktober 2011 sollte die Wende im Fall Maikel Nabil Sanad erfolgen. Nicht zuletzt aufgrund des wachsenden internationalen Drucks hofften seine Unterstützer, dass der Militärgerichtshof den sich seit mehr als 40 Tagen im Hungerstreik befindenden Blogger freilassen würde. Hoffnungen, die jäh zerschlagen wurden.

Sie veranstalten stille Demonstrationen, stehen mit ihren Schildern auf Brücken, in den Straßen und vor den Machtzentren der ägyptischen Militärregierung, um Maikel Nabil Sanad freizubekommen, der seit Ende März in Militärhaft ist.

Heute wurde Sahar Maher festgenommen. Zusammen mit Maikels Bruder Mark hatte sie vor dem Militärgericht für die Freilassung Maikels demonstriert. Sie habe eine Konfrontation zwischen Militär und Demonstranten mit ihrem Handy gefilmt. Beobachter vor Ort berichten auch, dass ein Journalist des Christian Science Monitor festgenommen wurde. Sahar Maher wird zur Stunde verhört. 

Am 04. Oktober 2011 sollte vor dem Militärgericht eine Anhörung stattfinden, die über Maikels Verfahren entscheiden sollte. Es ist der Tag 43, an dem Maikel keine Nahrung und keine Flüssigkeit mehr zu sich nimmt. Ein Tod auf Raten und ein Hilfeschrei, der in den letzten Wochen auch ausländische Medien auf seinen Fall aufmerksam machte.

Erst kürzlich hatte Ruprecht Polenz (CDU), Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des deutschen Bundestages, in einem Brief an den ägyptischen Botschafter in Deutschland, Ramzy Ezzeldin Ramzy, die Freilassung Maikel Nabil Sanads gefordert:

Es muss sichergestellt sein, dass der Inhaftierte angemessen medizinisch versorgt wird und von jeglicher Art der Misshandlung geschützt ist. Handelt es sich bei Maikel Nabil Sanad um einen politischen Gefangenen, ist er unverzüglich freizulassen.

Heute wurde der Fall Maikel Nabil Sanad auf den 11. Oktober vertagt. Die Begründung für die Verzögerung: Die Akte sei dem Gericht nicht rechtzeitig zugetragen worden. Eine weitere Woche, die Maikel Nabil Kraft kosten wird und ihn in Lebensgefahr schweben lässt. Dies passiert circa eine Woche nachdem der de facto Präsident Ägyptens Feldmarschall Tantawi erklärt hatte, er werde sich für die Beendigung der Militärgerichtsverfahren einsetzen.

Tantawi hatte bei einer Anhörung zum Verfahren gegen Ex-Präsident Mubarak und Omar Suleiman außerdem bekundet, er selbst und das ägyptische Miliär habe nie Befehle erhalten, auf Demonstranten zu schießen. Das sei nicht passiert und es werde nicht passieren.

Sahar Maher wird wahrscheinlich offiziell vorgeworfen werden, sie habe Militäreigentum fotografiert, was in Ägypten illegal ist. Sie könnte im günstigsten Fall mit einer Geldstrafe davonkommen. Inoffiziell könnten Aktionen der Militärregierung gegen Sahar Maher als Drohung und Exempel gegen die Demokratiebewegung in Ägypten verstanden werden.

Und es wird noch viele Freitage geben, an denen sich der Tahrir-Platz mit Demonstranten füllen wird, um für das Ende der Militärherrschaft zu demonstrieren.

Aktualisierung: Sahar Maher ist nach drei Stunden inzwischen wieder freigelassen worden. Sie wird sich am Tag der Anhörung im Fall Maikel Nabil (11. Oktober) ebenfalls vor dem Militärgericht verantworten müssen. Die Vorwürfe: Teilnahme an einer Versammlung an einem Gebäude des Militärs, das Filmen bzw. Fotografieren militärischen Personals.


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