13.03.2011

In Gedenken an Mahmoud Darwish - "Al Qurban"



Von Daniel Roters

Heute am 13. März 2011 wäre der unvergessene palästinensische Dichter Mahmoud Darwish 70 Jahre alt geworden. 

Am 9.  August 2008 starb Mahmoud Darwish, die “Stimme der Palästinenser”. Er wurde 1941 in Barwa bei Akkon (heute im Norden Israels) geboren. 1948 floh seine Familie in den Libanon. Als Kind lernte er Hebräisch, ging auf die Oberschule in Nazaret, dann nach Haifa. Bereits als Jugendlicher dichtete er, und so manches Mal wurde er für seine Zeilen bestraft, sprachen sie doch stets Wahrheiten aus, die unbequem schienen. So soll er als Junge ein Gedicht über einen Palästinenser geschrieben haben, der mit einem Israeli spielte. Als er sich 1973 der PLO anschloss, wurde ihm die Einreise in seine einstige Heimat verwehrt. 1995 durfte er sich vier Tage lang in Haifa aufhalten und erhielt schließlich die Genehmigung sich in Ramallah niederzulassen.

Eines seiner bekanntesten und beliebtesten Gedichte ist die “Identitätskarte” (1964). Mit der Zeit wurde Palästina immer mehr zur Metapher für den Verlust von Eden, für Geburt und Wiederauferstehung, für die unrechtmäßige Vertreibung und das Exil, seine Poesie, sich erst am klassisch-arabischen Ideal orientierend, zu einer machtvollen identitätsstiftenden Quelle für die Palästinenser und eine mahnende Stimme für die Weltöffentlichkeit.

In deutscher Übersetzung gibt es einige ausgewählte Gedichte, übersetzt von Stefan Weidner: "Wir haben ein Land aus Worten", ausgewählte Gedichte 1986-2002, arabisch und deutsch.

Ein Bespiel für die späte Dichtung des Darwish findet sich in “Das Opfer” (القربان) von 2002. Dies ist ein bisher unveröffentlichtes Gedicht, von dem es meines Wissens nach noch keine Übersetzung gibt. Darwish hat es aber  bei verschiedenen Lesungen vorgetragen, so zum Beispiel in Jordanien.

Ich habe mir die Mühe gemacht eine Übersetzung anzufertigen, die sicherlich nicht die Bedeutungsvielfalt der Bilder wiedergibt, die für Darwish so kennzeichnend sind, daher wird jeder diesen Text anders lesen können: Religiös, politisch, philosophisch, rein ästhetisch…
Nachfolgend haben Sie die Möglichkeit sich den Vortrag anzusehen. Danach folgt meine Übersetzung.





Das Opfer (القربان)
von Mahmoud Darwish


Vorwarts, schreit’ voran allein
Um dich herum warten die Hohepriester auf Gottes Befehl
So steig’ auf
Oh du Opfergabe, zugewandt dem steinernen Altar
Oh du Opferhammel
Unsere Erlösung
Steig auf stark
Dein ist unsere Liebe
Unsere heiseren Lieder in der Wüste
Bring’ das Wasser aus dem Zwielicht der Fata Morgana
Und erwecke die Toten
In deinem Blut ist die Antwort
Wir töteten dich nicht
Töteten nicht einen Propheten.
Außer, um die Auferstehung auf die Probe zu stellen

So stell’ du uns auf die Probe in diesem stählernen Staub
Sterbe, um zu wissen, wie sehr wir dich lieben
Sterbe, um zu wissen
Wie dein volles Herz auf unsere Gebete fällt
Reife Datteln
Dein ist die Gestalt des Sinnes
So kehre nicht zurück zu deinen Gebeinen
Lass’ deinen Namen zurück im Echo
Eine Eigenschaft für etwas
Sei eine Ikone für die Irrenden
Und eine Zierde für die Schlaflosen
Sei ein Märtyrer, bezeugend mit einem fröhlichem Gesicht
Welche der Wohltaten sind es, die wir leugnen?
Wer läutert uns außer du?
Und wer befreit uns außer du?
Du wurdest geboren an unserer Stelle
Wurdest geboren aus Licht und Feuer

Und wir waren die Tischler
Talentiert
Das Kreuz zu fertigen
So nimm das Kreuz und steig’ auf über die Plejaden
Vorwärts, schreit’ voran allein
Oh du unsere einzige Metapher
Über dem Abgrund der Poeten
Wir sind schlafende Nichtsnutze
Auf den Rücken der Pferde
Wir ersuchen dich um Loyalität
So sei treu der Menschheit und der Botschaft
Sei treu der schönen Mythen, sei treu
Welche der Wohltaten sind es, die wir leugnen?
Die Planeten sind in deinen Händen
So sei unser letztes Zeichen
Sei unsere letzte Äußerung in den Trümmern des Alphabets
Wir hören nicht auf zu leben, auch wenn wir tot sind
Auf dein Blut haben wir vertraut

Führe uns
Und lasse dein reines Blut für uns scheinen
Niemand bat um Vergebung für deine Wunden
Wir alle sagten zu den Römern: Wir sind nicht mit ihm
Und übergaben dich dem Henker
So vergib uns unseren kleinen Verrat
Oh Bruder, gesäugt an derselben Brust
Wir wussten nicht was passierte
So sei gnädig und zufrieden
Wir werden die Vision für glaubwürdig erachten
Werden an die ungewöhnliche Ehe glauben
Zwischen dem Geist und dem heiligen Körper
Alle Rosen der Erde genügen nicht deinem Thron
Die Erde wurde leicht, rund
Dann flog sie wie eine Taube in deinen Himmel

Oh du edles Opfer
Brenne
Um uns zu entzünden, um einen fernen Stern zum Blühen zu bringen.
Höher und höher
Du bist nicht von uns, solltest du herabsteigen und sagen:
Mein ist ein Leib, mich quälend am Holze des Kreuzes
Und solltest du sprechen, du würdest erwachen
Und unsere Realität enthüllen
Sei ein Traum, den wir träumen dürfen
Sei nicht menschlich
Oder ein Baum
Sei ein unzugängliches Rätsel
Möge dich zelebrieren all’ das, was grünt
Von den Bäumen und den Steinen
Von den Dingen, welche der Schmetterling vergisst
In der Stunde des jüngsten Gerichts
Ein Gedicht
Und mögen dich zelebrieren all diejenigen, die ohne Erinnerung sind
Oder ein glänzender Mond

Zerbrich’ nicht
Siege nicht
Sei schwebend zwischen beidem
Wenn du brichst, besiegst du uns
Und wenn du siegst, dann zerbrichst du uns
Also sei ein toter Lebender
Und ein lebendiger Toter
Sodass die Hohepriester ihr Handwerk fortsetzen mögen
Sei eine verborgene Erscheinung
Mögest du allein bleiben, erhaben
Die schwere Zeit berührt nicht deinen Lebensbereich
So steig auf, so hoch du kannst
Denn du bist der schönste von uns, wenn du ein Märtyrer bist
Sei so weit entfernt, wie du kannst
Sodass wir in der Offenbarung deinen Schatten erblicken
Eine purpurne Karte
Friede sei mit dir am Tag an dem du geboren wurdest
Im Land des Friedens
Und am Tag an dem du gestorben bist
Und am Tage an dem du auferstehst
Aus der Dunkelheit des Todes
Lebend

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