14.03.2011

Wie Ost-Jerusalem »entarabisiert« wird

Von Marco Schöller

Nachdem bereits in den letzten Jahren mehrere Projekte zur Einbindung Ost-Jerusalems – namentlich südlich des Tempelbergs im arabischen Viertel Silwân – umgesetzt wurden, gibt es seit Jahresbeginn neue Aktivitäten zu einer weiteren »Entarabisierung« des arabischen Ostteils des Stadt. Die Aktionen, die die strategische Ansiedlung jüdischer Siedler in Ost-Jerusalem zum Ziel haben, treffen sowohl international als auch in Israel selbst auf Kritik. In deutschen Medien wird darüber allerdings nur am Rand berichtet.

Ein Brennpunkt der Entwicklungen ist der arabische Stadtteil  Shaikh Jarrah  westlich des Mount Scopus. Seit mehreren Jahren, genauer gesagt seit 1972, gibt es dort einen Rechtsstreit um die Besitzrechte zwischen den arabischen Anwohnern und jüdischen Israelis. Eine sehr lesenswerte Reportage über den Streit um das Viertel Sheikh Jarrah, der die Entwicklung bis Mai 2010 berücksichtigt, findet sich hier; eine ausführliche Zusammenfassung der Entwicklung mit zahlreichen Fakten zur jüdischen Präsenz in Shaikh Jarrah gibt eine Webseite des Jerusalem Center for Public Affairs.
In den letzten Jahren, und noch einmal in den letzten Wochen, ist dieser Streit um Shaikh Jarrah eskaliert. Der größere Kontext dieses Streits ist der seit vielen Jahren zu beobachtende Versuch, die arabischen Stadtteile Jerusalems zu »entarabisieren«.
Israelische Menschenrechts- organisationen und die Zeitung Haaretz belegen regelmäßig die Absichten der Siedlerorganisation, in dem Bassin, das die Jerusalemer Altstadt im Osten umrundet und das zum arabischen Ostjerusalem gehört, eine starke jüdische Präsenz aufzubauen. »Judaisierung« ist der Begriff, den linke Aktivisten, Medien und Wissenschaftler dafür verwenden. (Quelle)
Im März 2010 wurde vom israelischen Innenministerium ein Plan genehmigt, der die Zerstörung von mehreren Häusern im Besitz von Arabern vorsah, um Platz für 200 neue Wohneinheiten zu machen. Zugleich ist vorgesehen und wurde inzwischen bereits genehmigt, an der Stelle des alten Shepherd Hotels ein »residential area« von 20 Wohneinheiten und ein Konferenzzentrum zu errichten. Alle Wohneinheiten sollen nach Fertigstellung von jüdischen Familien bezogen werden. Mitte Januar begann man in dem Viertel, nach einem vorübergehenden Stopp, mit dem Abriß des Shepherd-Hotels.

Anfang Februar 2011 genehmigte die Stadt Jerusalem die Errichtung von 13 neuen Wohneinheiten für jüdische Familien in Shaikh Jarrah. Seitdem gibt es in diesem Viertel neue Proteste der arabischen Anwohner und Demonstrationen israelischer Friedensaktivisten und Menschenrechtler. Es kam in den letzten Wochen wiederholt zu Gewalt zwischen der Polizei und den jüdischen Bewohnern auf der einen und den Demonstranten auf der anderen Seite; auch kam es wiederholt zu Festnahmen. Zur Zeit lebt ein Dutzend jüdische Familien in zehn Häusern in dem Viertel, nachdem die arabischen Bewohner per Gerichtsbeschluß aus ihren Häusern ausgewiesen worden waren; der erste Räumungsbefehl wurde schon im November 2008 vollstreckt. Offzielle der Stadt Jerusalem verlautbarten, es lägen Pläne für mehrere hundert neue  Wohneinheiten in dem Viertel vor, die in den nächsten Jahren gebaut werden sollen. »I imagine that within 5-10 years some 200 homes for Jews will be built in this area« sagte Arieh King, Vorsitzender des Israel Land Fund. Der Likud-Abgeordnete Elisha Peleg sagte: »I hope as many Jewish neighborhoods as possible are built in east Jerusalem«.

Unterstützt wird der Kampf der arabischen Anwohner von Shaikh Jarrah vom New Israel Fund (NIF) sowie von Vertretern von J-Street:
»NIF, alongside many intellectuals and public figures in Israel, recognizes the importance of the work of the Sheikh Jarrah Solidarity movement, which bravely acts against the injustice caused by the occupation and the undermining of basic human rights of Arabs in east Jerusalem and other places in Israel,« the NIF told The Jerusalem Post. ... »In fighting the illegal and unjust dispossession of Arab families in east Jerusalem by the extreme settler movement, the Sheikh Jarrah protesters call attention to the struggle against discrimination, inequality and anti-democratic efforts in Israel,« it said. (Quelle)
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Abriß des Shepherd Hotels
Das altehrwürdige Shepherd Hotel, das in den 1930er Jahren von Hâjj Amîn al-Husaynî erbaut worden war, wurde 1985 von dem jüdischen Geschäftmann Irving Moskowitz für 1 Mio. USD erworben. Der US-stämmige Moskowitz machte zuletzt mit Bingo-Spiel in Kalifornien ein Vermögen, das er an den Glücksspiel- und Steuerbehörden der USA zum größten Teil vorbeischleust, indem er den Bingo-Club als eine »non-profit organization« ausweist und die Einnahmen zum größten Teil nach Israel transferiert. Dort werden die Gelder verwendet, um jüdische Siedlungsprojekte in Ost-Jerusalem und an anderen Orten – darunter auch in Hebron – zu forcieren:
Each dollar spent on bingo by the mostly Latino residents of Hawaiian Gardens, on the outskirts of Los Angeles, helps fund Jewish settlements on Palestinian land in some of the most sensitive areas of occupied East Jerusalem, particularly the Muslim quarter of the old city, and West Bank towns such as Hebron where the Israeli military has forced Arabs out of their properties in their thousands. (Quelle)
Über diese Aktivitäten geben die offiziellen Webseiten der »Irving I. Moskowitz Foundation« keine Auskunft. Es ist aber unzweifelhaft, daß große Summen von Moskovitz zur Verfügung gestellt werden, um die jüdische Besiedlung, zugleich die »Entarabisierung«, Ost-Jerusalems voranzutreiben:
»Over time, Moskowitz and other supporters of a far-right settler agenda developed a vision of "Judaising" East Jerusalem and its environs. ... The vision has gradually become more ambitious, seeking to dislodge Arab inhabitants from their traditional homes in villages like Silwan in order to transform Jerusalem into an exclusively Jewish city that can never be divided or shared with the Palestinians.« (Quelle)
»Seit Jahrzehnten versucht er [= Irving Moskowitz] dazu beizutragen, Juden in arabischen Stadtteilen anzusiedeln. Mithilfe von Tarnfirmen und Mittelsmännern kauft er Gebäude in arabischen Vierteln der Stadt und ermöglicht dann Juden den Einzug. Bis heute soll er auf diese Weise mehr als 20 Millionen Dollar in Jerusalem investiert haben. Aufsehenerregend ist dabei nicht die eigentlich bescheidene Anzahl seiner Geschäfte, sondern vielmehr sein untrüglicher Instinkt für besonders umstrittene Orte.« (Quelle)
In den 1990er Jahren war Moskowitz in den Konflikt um Ra's 'Âmûd involviert, als in diesem arabischen Viertel in Ost-Jerusalem – unter anderem mit Fürsprache des damaligen Bürgermeisters von Jerusalem, Ehud Olmert – ein jüdisches Siedlungsprojekt verwirklicht werden sollte. Bis ins Jahr 2002 soll die Moskovitz-Foundation 70 Mio. USD für jüdische Siedlungsprojekte in den arabischen Gebieten Israels gegeben haben. Mindestens 5 Mio. USD gingen dabei an die »American Friends of Ateret Cohanim«. Die Organisation Yeshivat Ateret Cohanim unterstützt die jüdische Besiedlung des Ostteils von Jerusalem. Durch Ankauf von Häusern siedeln bislang etwa 1000 Anhänger der Yeshiva in der arabischen Altstadt, doch kam es auch zu illegalen Aktionen: Im April 2009 brachen Anhänger der Yeshiva in ein arabisches Haus in der Altstadt ein und nahmen es in Beschlag. Die Sache ist zur Zeit vor Gericht. Im Jahr 2010 lebten insgesamt etwa 4000 Juden in der Altstadt Jerusalems, 12% Prozent der Gesamtbevölkerung. 70 jüdische Familien und hunderte Yeshiva-Studenten wohnen im arabischen Teil der Altstadt.

In den USA wird die Unterstützerorganisation »American Friends of Ateret Cohanim«, die sich der Entarabisierung Ost-Jerusalems verschrieben hat, als Organisation anerkannt, die »educational institutes in Israel« finanziert. Aber:
In reality, Ateret Cohanim in Israel focuses mainly on purchasing Arab property in East Jerusalem. Since its founding in the 1970s, it has bought dozens of Arab buildings for Jews to reside in. Just this April [2009], for instance, it moved Jewish families into an Arab house it purchased in the Muslim Quarter. (Quelle)
Die Yeshivat Ateret Cohanim hat sich neben der »Judaization« von Ost-Jerusalem der Errichtung des »Dritten Tempels« verschrieben, und die Yeshiva bildet bereits die Priester aus, die an dem noch zu errichtenden Tempel die Tieropfer durchführen sollen. Geplant ist auch eine »Akademie für den dritten Tempel«, die mitten in der Judäischen Wüste entstehen soll, im besetzten palästinensischen Westjordanland.
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Maßgeblich an den Plänen, den Dritten Tempel zu errichten, beteiligt ist Dov Hikind, Mitglied der New York State Assembly, dessen Ehefrau wiederum die Organisation Ateret Cohanim verwaltet. Hikind ist aber auch eine treibende Kraft bei der jüdischen Besiedlung von Ost-Jerusalem.

Im November 2009 war Dov Hikind in Jerusalem, um dort der Grundsteinlegung der Ausbauphase von Nof Zion beizuwohnen. Diese jüdische Siedlung befindet sich in einem arabischen Stadtteil in Ost-Jerusalem. Einen Tag vor dieser Grundsteinlegung wurden für Gilo, einem jüdischen Siedlungsprojekt nördlich von Bethlehem im Süden Jerusalems (auf Land, das nach 1967 besetzt wurde), weitere neue 900 Wohneinheiten genehmigt. Die genannten Baupläne wurden von Hikind mit einem zynischen Verweis auf die Rassentrennung verteidigt: »Not allowing Jews to live in certain neighborhoods of the city is segregation«.(Anm.: Die wiederholte Instrumentalisierung von Begriffen der Civil Rights-Bewegung durch pro-israelische US-Politiker ist beklagenswert. So sagte etwa State Senator John Sampson aus Brooklyn, der mit Dov Hikind Israel besuchte, der Abzug jüdischer Siedler aus dem Gaza-Streifen ähnele der Erfahrung der Schwarzen in den USA mit der Sklaverei: »This, in certain ways, is like slavery. It's the same general concept ... completely violating these Gaza residents' civil rights and kicking them out of their homes.«)

Die Jerusalem Post bezeichnet das Projekt Nof Zion ausdrücklich als »ideologically-driven«, nämlich als Teil der geplanten Entarabisierung Ost-Jerusalems. Wie auch das Siedlungsprojekt Har Homa, das außerhalb der Waffenstillstandslinie von 1949 in Ost-Jerusalem liegt und die Verbindung zwischen der Stadt Jerusalem und Bethlehem unterbricht, so liegt Nof Zion zwischen mehreren arabischen Vierteln und unterbricht die Verbindung zwischen diesen. Offensichtlich sollen die jüdischen Siedlungen in Ost-Jerusalem, strategisch gelegen, die Unteilbarkeit Jerusalems festschreiben, ebenso wie die zahlreichen jüdischen Siedlungen im Westjordanland eine Zweistaatenlösung inzwischen de facto so gut wie unmöglich gemacht haben: »All small settlements of Jews in the heart of Palestinian neighborhoods make it impossible to divide—it's an eyesore« sagt Efrat Cohen-Bar, ein Architekt bei Bimkom, einer non-profit-organisation in Jerusalem.

Allerdings geriet das Projekt Nof Zion in den letzten Monaten in finanzielle Schwierigkeiten, und bis Anfang März fanden sich keine israelischen Investoren. Die Offerte eines Supermarktmoguls, Rami Levy, war von der zuständigen Bank zunächst als unzureichend zurückgewiesen worden, und tatsächlich bestand für einen Moment die Möglichkeit, daß das Projekt von einem US-amerikanischem Geschäftsmann palästinensicher Abstammung erworben wird, der wiederum plante, die Wohnungen in dem Viertel an arabische Familien zu vergeben. Nachdem aber der Bank Leumi von seiten jüdischer Siedler der Boykott angedroht wurde, weil sie das Angebot Levys abgelehnt hatte, lenkte die Bank inzwischen ein und akzeptierte ein nachgebessertes Angebot Levys, an dessen Finanzierung sich auch der australische Geschäftsmann Kevin Bermeister (dem die Webfirma »Kazaa« für Musikdownloads gehört) beteiligt.

Es ist interessant, die Aussagen zu vergleichen, die Kevin Bermeister und Rami Levy über ihre Beteiligung an dem neuen Wohnprojekt machen:
Bermeister: »We focus in our plan primarily on economics,« he explained. »We don’t really care about Arab or Jew. It makes no difference. [Hervorhebung nicht im Original]. Our real issue is improving the prosperity for the people who live in Jerusalem and in Israel generally. We believe that the prosperity will be improved through the increases in tourism but also through the development of infrastructure that’s required to support such an increase in tourism.« (Quelle)
Levy: »This Palestinian came along, wanting to buy Digal, build a neighborhood there, and populate it with Arabs. This would naturally create conflict between Jews and Arabs. Ultimately, this is a Jewish neighborhood [Hervorhebung nicht im Original], and naturally if someone came along and put 300 Arab families in a place where there are already 100 Jewish families, this would have been a provocation. I prevented it.« (Quelle)
Nach Aussagen von Levy sind für das Nof Zion-Projekt 400 Wohnungen geplant, von denen 100 bereits gebaut und an 100 jüdische Familien vergeben worden sind. Die meisten Neuzuzügler stammen aus den USA, wie überhaupt das Projekt von vorneherein v.a. für den US-amerikanischen Markt bestimmt war: »a neighborhood of high-end condos geared to American Jewish buyers«. Auch hieran war Dov Hikind beteiligt, der jüdische US-Amerikaner dazu aufrief, eher in den arabischen Gebieten Israels Land zu kaufen als an den »traditionellen Ferienorten der USA« zu investieren. Er sagte: »Rather than buying second homes in Florida, we want people to buy in Israel«.

An den Aktivitäten US-amerikanischer Juden gibt es Widerstand sowohl in den USA (Vorwurf an die Moskowitz-Foundation: »a history of inciting violence and destroying Palestinian neighborhoods«) als auch in Israel. Linke Kreise in Israel und Friedensaktivisten sehen in der Einmischung jüdischer Politiker und Geschäftsleute aus den USA in die Politik Israels seit langem ein Problem. Speziell Moskowitz' Auftritte haben in Israel eine Debatte darüber ausgelöst,
»wieweit amerikanische Juden überhaupt in der hiesigen Politik mitreden dürfen. "Spiel nicht Bingo mit unserem Leben" oder "Moskowitz, go home" stand auf den Plakaten der israelischen Demonstranten, die gemeinsam mit Palästinensern gegen die Siedler in Ras el-Amud protestierten. Die heutige Situation, daß ein Jude aus Miami über unsere politische Zukunft bestimmt, ist unakzeptabel«, empörte sich auch der ehemalige Bürgermeister Teddy Kollek. Carmi Gillon, der frühere Chef des israelischen Sicherheitsdienstes Schin Bet, schrieb: »Herr Moskowitz, Sie sind kein Zionist, sondern ein Provokateur. Als Bürger (Israels) habe ich ein Problem damit, daß unser Ministerpräsident überhaupt mit Ihnen verhandelt.« (Quelle)
Und tatsächlich können die Auswirkungen von Moskowitz' Aktivitäten auf die Verhältnisse in Israel gar nicht unterschätzt werden: »Irving Moskowitz ist ein Zionist aus der Ferne. Ein Mitglied des Stadtrates von Jerusalem hat deshalb vor Jahren einmal scherzhaft gefordert, dem Millionär die Ausreise zu verweigern, damit er mit ansehen müsse, was er angerichtet habe. Denn Moskowitz zündelt an einem der entzündbarsten Orte des Heiligen Landes: in Jerusalem« schreibt die WELT.

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Die jüdischen Wohnprojekte in Ost-Jerusalem, die in den ersten Monaten dieses Jahres neu geplant, neu genehmigt oder neu in Angriff genommen worden sind, wurden weltweit mit Kritik aufgenommen. Sowohl die Maßnahmen in Shaikh Jarrah als auch das Nof Zion-Projekt sind von der Regierung der USA offiziell kritisiert worden. Insbesondere die Errichtung von Wohnungen in Shaikh Jarrah war von Washington abgelehnt worden. Außenministern Hillary Clinton ließ mitteilen: »This disturbing development undermines peace efforts to achieve the two-state solution«. Auch die EU wandte sich mit scharfen Worten gegen den Abriss des Shepherd-Hotels in dem besagten Viertel. Die Außenbeauftragte Catherine Ashton erinnerte daran, daß die Siedlungen in den von Israel besetzten palästinensischen Gebieten nach internationalem Recht illegal sind.

Als aber vor wenigen Wochen eine UN-Resolution zur Abstimmung stand, in welcher es hieß, daß »jede israelische Siedlungsaktivität« in den besetzten Gebieten »einschließlich Ostjerusalems illegal ist und eine wesentliche Hürde beim Erreichen eines Friedens auf Grundlage einer Zwei-Staaten-Lösung bildet«, legten die USA ihr Veto gegen die Resolution ein. Der einigermaßen deutliche Wortlaut der Resolution – verurteilt wurden alle Siedlungen von »Israel, der Besatzungsmacht« und »alle Maßnahmen, die darauf abzielen, die demografische Zusammensetzung, den Charakter oder den Status der besetzten Gebiete zu ändern« (Wortlaut nach der FOCUS-Meldung) – ging der US-Regierung offenbar zu weit. Als kurz nach dem US-Veto die israelische Regierung ein Einfrieren der Pläne für 50 geplante Wohneinheiten im Har Homa-Projekt (südlich Jerusalems) und für 150 in Armon Hanatziv verkündete, interpretierte man das in Israel, vermutlich zutreffend, als »Dankeschön« der israelischen Regierung für die Unterstützung aus den USA.

Abgesehen von diesem vermuteten Zugeständnis stieß die Kritik westlicher Regierungen erwartungsgemäß auf Ablehnung bei der israelischen Regierung. Premierminister Netanyahu verwahrte sich gegen die Kritik mit den Worten: »I would like to reemphasize that united Jerusalem is the capital of the Jewish people and of the State of Israel. Our sovereignty over it cannot be challenged; this means – inter alia – that residents of Jerusalem may purchase apartments in all parts of the city. ... We cannot accept the idea that Jews will not have the right to live and purchase in all parts of Jerusalem.« Damit sagte PM Netanyahu de facto dasselbe wie auch Dov Hikind: »Our goal is to send a clear message to Washington and President Obama that Jews will continue to live in Judea and Samaria ... and the ultimate commitment American Jews can make is to actually come and buy property in these areas as this will ensure these communities' security and growth.«

Anders als Har Homa, das ein staatliches Siedlungsprojekt ist, handelt es sich bei Nof Zion und anderen Projekten nicht um staatliche Projekte. Man kann sie also nicht ohne weiteres der israelischen Regierung anlasten. Ebenso klar ist aber auch, daß die privat finanzierten Siedlungsprojekte in Ost-Jerusalem auf die Unterstützung der israelischen Regierung rechnen können. Doch der Hinweis auf die private Trägerschaft der Projekte dient der Regierung u.a. auch dazu, der westlichen Kritik zu entgegnen. Das wird z.B. in einer Stellungnahme der Stadt Jerusalem deutlich: »Jerusalem Municipality stated in response that the plans for Shaikh Jarrah were private and therefore the construction committee was charged only with checking the aspects related to technical planning, not the religion or nationality of the planners.«

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Neben den genannten Projekten – Nof Zion und Shaikh Jarrah – wurden in den letzten Jahren weitere Projekte verwirklicht. So etwa im arabischen Viertel Ra's 'Âmûd, wo das jüdische Wohnprojekt Maaleh Hazeitim (»Ma'aleh Har HaZeitim« in der Nähe des jüdischen Friedhofs am Ölberg und eben nach diesem benannt) liegt. 2008 lebten dort bereits 51 jüdische Familien, und im selben Jahr wurde die Errichtung von weiteren 60 Wohneinheiten begonnen. (Das nebenstehende Photo zeigt Jimmy Johnson vom Israeli Committee Against House Demolitions (ICAHD) vor der ummauerten jüdischen Siedlung in Maaleh Hazeitim in Ostjerusalem.) Auch die dortigen Grundstücke waren schon 1984 von Irving Moskowitz erworben worden. Erst vor wenigen Tagen wurde nun die Errichtung weiterer Wohnungen in Maaleh Hazeitim bekannt gegeben. Am 10. März 2011 wurde verfügt, daß eine arabische Familie, die seit 1952 dort ansässig ist, bis zum kommenden Montag – also heute – einen Teil ihres Hauses räumen müsse, damit dort jüdische Siedler einziehen können. Den Prozeß gegen die Familie hat Irving Moskowitz geführt, der davon ausgeht, daß das Haus auf dem Land steht, welches er erworben hat.

Bereits im Novemeber 2010 hatte das israelische Innenministerium nach Angaben von Peace Now angekündigt, 1025 neue Wohneinheiten in der Siedlung Har Homa und weitere 320 in Ramot (nördlich der Altstadt) zu bauen. Der Bau hat sich verzögert – bzw. wurde im Fall von Har Homa teilweise ausgesetzt –, aber Mitte Februar 2011 wurde zumindest die Errichtung von 56 Wohneinheiten in Ramot genehmigt: »A plan for 56 housing units in the Ramot neighborhood, which is located over the 1967 Green Line, is expected to get final approval Monday afternoon if the Jerusalem municipality’s Local Planning and Construction Committee approves its building permit. This is the first Jewish construction project over the Green Line to receive final approval in 2011.«

Insgesamt kann es also keinen Zweifel daran geben, daß der israelische Staat seit Jahren eine Politik der Entarabisierung Ost-Jerusalems (wie im übrigen auch weiterer Orte in den besetzten Gebieten) betreibt. Die politische Agenda hinter dieser Politik ist offensichtlich: Eine Teilung Jerusalems wird für alle Zeiten unmöglich gemacht, wenn es gelingt, auch die arabischen Stadtteile mit jüdischen Siedlern zu bevölkern und die bisherigen Bewohner zum Aus- und Umzug zu zwingen. Speziell im Fall Jerusalems handelt es sich dabei oft um private Bauprojekte, die jedoch nicht nur verwaltungstechnisch, sondern auch logistisch von den zuständigen Behörden nach Kräften unterstützt werden. Der israelische Staat ist auch in diese Projekte mehr oder weniger direkt involviert.
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Nach dem Mord an einer jüdischen Siedlerfamilie im Westjordanland, der Samstagnacht verübt wurde, hat die israelische Regierung als Reaktion auf die Bluttat am nächsten Tag den Neubau mehrerer hundert neuer Siedlerhäuser im Westjordanland genehmigt. Das Büro von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu erklärte am Sonntag, »ein Kabinettsausschuss habe Bauvorhaben in Gusch Etsion, Maale Adumin, Ariel und Kirjat Sefer beschlossen. Es seien mehrere hundert Wohneinheiten geplant.« Mit diesem Schritt wird der ohnehin längst nicht mehr aktiv betriebene Friedensprozeß zwischen Palästinensern und Israelis wohl an sein endgültiges Ende gelangt sein. Der Bruder des ermordeten Udi Fogel, warnte bei der Beisetzung, das Verbrechen dürfe nicht für die Politik Israels instrumentalisiert werden. Aber dazu ist es, wie immer im Israel-Palästina-Konflikt, schon wieder zu spät.

Nachtrag aus der heutigen Ausgabe von Ha'aretz:
»The despicable murder of five members of the Fogel family on Saturday is a crime against every human being. But the atrocity in Itamar is not only a criminal act. It was committed in a diplomatic and security context, and we have to examine its background and consequences. Not, heaven forbid, to justify what cannot be justified or grant absolution. Instead, we have to study the complex situation that makes Israel responsible for preventing an escalation that could result in many new victims. ... A responsible government would act now to calm and not to escalate, to pursue a diplomatic solution and not a belligerent confrontation. But in Jerusalem we don't have a government like that.« (Quelle)

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