08.02.2011

Alles paletti!

Die westlichen Regierungen hoffen auf ein »normalisiertes« Ägypten ... und denken über goldene Brücken nach

Von Marco Schöller


Große Erleichterung bei den westlichen Regierungen: Es scheint im Moment absehbar, daß die ägyptische Revolution ihr »Momentum« verloren hat: »Egypt's democratic window has probably already closed« stellte gestern Joshua Stacher auf Foreign Affairs ernüchtert fest. Und so ist es wohl. Mubarak ist noch im Amt, das Regime sitzt wieder fest im Sattel und die Staatsbediensteten werden mit einer Lohnerhöhung geködert. Der Mann der CIA in Kairo, Omar Suleiman, zieht die Fäden im Hintergrund, führt fadenscheinige Gespräche mit einer Muppet-Opposition und gilt allgemein als der »kommende Mann«.

In den westlichen Medien kommen derweil ägyptische Multimillionäre zu Wort, die ihr Vermögen unter Mubaraks Diktatur zusammengerafft haben, und erzählen den Lesern, daß »Millionen von Ägyptern nicht wollen, daß Mubarak zurücktritt.«  Im Gegenteil: »Nicht alles, was Mubarak als Präsident gemacht hat, war schlecht. Er ist weder der Schah von Persien noch ein Hitler oder ein Ben Ali. ... Der Präsident Mubarak hat die Wirtschaft liberalisiert. Wir als Unternehmer haben das begrüsst. Mubaraks Gesamtbilanz ist nicht so schlecht.« Und wie die ägyptischen Unternehmer, die jetzt hoffen dürfen, daß sie ihre Schäfchen im Trockenen behalten, freut sich auch die deutsche Börse: »Im Gleichschritt mit dem mitteleuropäischen Wetter hat sich auch der Börsenhimmel wieder deutlich aufgehellt. Die Berichtssaison läuft wie am Schnürchen, Asien wächst munter weiter, und in Ägypten ist Deeskalation angesagt« berichtet das Wirtschaftsblatt unter der heiteren Überschrift »Alles Paletti«.

In der Zwischenzeit heißt die Parole weiterhin, wie in den letzten Tagen auch: Aussitzen. So sagt man es natürlich nicht. Man sagt, alles müsse geordnet und überlegt vor sich gehen. Oder wie es der Hardliner John Kornblum formuliert: »Mehr Geduld« sei gefordert. Was in der Zukunft passiere, müsse man, selbst wenn man das Beste wolle, abwarten: »Man will natürlich Demokratie, eine neue Regierung und einen neuen Präsidenten, aber wie man dahin kommt, da gibt es sehr viele Unwägbarkeiten.« Ich übersetze: Jetzt können wir noch ein bißchen auf Demokratie drängen, hoffen aber, daß sich in ein paar Monaten niemand mehr dafür interessiert, was in Ägypten passiert. Das alte-neue Regime macht bis dahin einfach weiter wie bisher, weil alle Alternativen »unwägbar« sind, und die Revolution ist in einem Jahr ein Fall für die Geschichtsbücher.

Doch nochmal zurück zur Bundesregierung. Was tun mit Mubarak? Man muß ihm »goldene Brücken bauen« – denkt man überall hinter vorgehaltener Hand, will es aber nicht recht aussprechen. Die Bundesregierung schweigt sich betreten aus. Aber andere, die weniger involviert sind, sprechen Klartext. Lord Arthur George Weidenfeld beispielsweise, in einem Gespräch mit der PNP: »Ich finde, Deutschland sollte hier keine falschen Hemmungen haben. Wenn man Mubarak eine goldene Brücke bauen kann – warum nicht? Auch die deutsche Regierung hat mit ihm in den vergangenen Jahren zusammengearbeitet. Jetzt so tun, als es sei nichts gewesen, ist scheinheilig.« Genau. Scheinheiligkeit war noch nie die Sache des Westens. Fragen Sie mal die Ägypter! Doch weiter im Text. Weidenfeld meint, die Entwicklung in Ägypten müsse man derzeit auf die längstmögliche Bank schieben, denn der Westen hat die Dinge nur im Griff, »wenn die Entwicklung sehr vorsichtig und langsam vorangetrieben wird. Der beste Fall wäre in meinen Augen, wenn das Militär in den kommenden Wochen für Stabilität sorgt und gleichzeitig einen friedlichen Übergang mit Neuwahlen organisiert.« Und schließlich diskreditiert Weidenfeld die ägyptische Revolution noch mit einem Hinweis auf die Nazis: » Aber auch 1930 hätte niemand gedacht, dass eine kleine Partei wie die NSDAP innerhalb kürzester Zeit so schnell an Macht gewinnt. Radikale Gruppen haben den Vorteil, dass sie immer genau wissen, was sie wollen, während der Rest eher zersplittert ist. Deshalb ist die häufige Erfahrung von Revolutionen: Am Ende setzen sich die Radikalsten durch.«

So will und wird es natürlich kein Offizieller in Berlin sagen. Viele hoffen ja auch, daß der Hinweis auf die Muslimbrüder ausreiche, um Angst vor jeder Veränderung in Ägypten herbeizureden, da müsse man nicht auch noch die Nazis bemühen. Aber, wie gesagt, was ist mit Mubarak? Die Bundesregierung schweigt beharrlich, bereitet aber womöglich schon die Aufnahme Mubaraks in ein deutsches Sanatorium vor. Wer weiß. Die Bundesregierung möchte jedenfalls dazu keine Stellung nehmen, es ist ein etwas peinliches Thema. Das geschätzte Privatvermögen von Mubarak & Familie ist dreimal so groß wie das Defizit des deutschen Gesundheitssystems. Egal. In der Koalition wird schon kräftig dafür geworben, Mubarak nach Deutschland zu holen. Allerdings muß man da aufpassen, denn die Sache ist ein bißchen heikel. Einfach so einreisen lassen kann man ihn nicht, man muß ihn »deklarieren«, nämlich als Patienten – und um Gottes willen nicht als Exilanten/Asylanten, sonst müßte man ihn ja gleich wieder abschieben. Politiker der schwarz-gelben Koalition schlagen deshalb vor, »Mubarak eine medizinische Untersuchung in Deutschland zu gewähren, auf die eine längere Reha-Phase folgen könnte. Damit würde verhindert, dass Mubarak sich in offiziellem Exilstatus in Deutschland aufhielte.« Das ist gut zu wissen. Ich werde diesen Tip gleich an ProAsyl weiterleiten: Jeder Flüchtling, der in Deutschland ankommt, sollte schnurstracks in ein Sanatorium oder Krankenhaus laufen, dann ist er auf der sicheren Seite. Am besten in Baden-Baden, da ist man auf so etwas spezialisiert. Und wenn der Flüchtling dann auch noch 50 Mrd. Euro auf der hohen Kante hat, was hier und da ja vorkommt, dann kann er die dort gleich verzocken und die deutschen Steuerkassen füllen helfen. Solche Flüchtlinge braucht das Land.

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